NEVEREST Podcast mit Manuela Grundner Gregor Karlinger

Manuela Grundner & Gregor Karlinger: "Es wird ganz anders, als ich es mir vorstelle, aber es wird gut sein."

Über Manuela Grundner & Gregor Karlinger

Wie gelingt es, einander zu vertrauen, wenn man gemeinsam an einem großen Projekt arbeitet? Die Potenziale des anderen kennenzulernen, wirken zu lassen und sich von den eigenen Vorstellungen zu lösen, war die größte Lektion im gemeinsamen Berufsleben von Manuela Grundner, Raumschafferin und Konfliktreglerin @ murbit und Gregor Karlinger, Agiler Coach und Organisationsbegleiter @ Transferio.

Als „Triebwerk“ der Plattform Freiräume werden die beiden richtig leidenschaftlich, wenn es darum geht, Menschen ein Umfeld zu schaffen, das Ihnen echte Zusammenarbeit ermöglicht, eigenverantwortliches Handeln anregt und dabei persönliches Wachstum fördert.

Mit der Plattform Freiräume haben sie sich zum Ziel gesetzt, dem Thema Organisation der Zukunft – anders zusammenarbeiten – mehr Raum und Stimme zu geben.

NEVEREST Podcast mit Manuela Grundner und Gregor Karlinger

Transkript der Episode

00:00:04
Intro: Die Lektion deines Lebens. Der NEVEREST Podcast, heute mit Lisa-Marie Linhart.

00:00:14
Lisa-Marie Linhart: Ja, hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge „Die Lektion deines Lebens“, die heute eigentlich die Lektion eures Lebens heißen müsste. Denn bei mir sind heute zwei Gäste, nämlich Manuela und Gregor von den Freiräumen – eine Unconference in Graz. Ja, liebe Manuela, lieber Gregor, schön, dass ihr heute bei mir seid und euch die Zeit für uns nehmt. Wollt ihr euch ganz kurz einmal vorstellen, wer ihr seid, was ihr macht? Ladies first.

00:00:49
Manuela Grundner: Hallo, ich bin die Manuela. Und was man tun darf in New Work: Man darf sich selbst Berufsbezeichnungen ausdenken. Und meine ist Raumschafferin und Konfliktreglerin. Und als solches bin ich ganz viel unterwegs und versuche mit Menschen Räume zu schaffen, in denen freudvolles Arbeiten möglich ist. Und das mache ich auch sehr gerne bei den Freiräumen, wo wir darauf schauen, dass das Thema New Work nicht nur so ein abgehobenes Thema ist, das irgendwo in Büchern steht, sondern dass es zu einem Thema wird, das aktiv passiert und möglich ist. Und das mache ich im Rahmen der Freiräume.

00:01:34
Lisa-Marie Linhart: Wunderbar. Gregor.

00:01:37
Gregor Karlinger: Ja, hallo. Ich bin Gregor. Gregor Karlinger. Ähm. Wenn Sie einen Titel wollen – Ich greife das von der Manuela vielleicht gleich auf – Ich würde mich bezeichnen als Reisebegleiter für Organisationen in Veränderung. Also, das ist etwas, was mich sehr, sehr beschäftigt. Ich versuche Sparringpartner, auch Raumgestalter – also, das finde ich sehr schön, was ich da gerade von der Manuela auch gehört habe – Raumgestalter zu sein, wo Entwicklung stattfindet. Auf persönlicher Ebene, sei es in der Weiterentwicklung der eigenen Haltung, sei es auf Ebene der Organisation, wie sich die Organisation weiterentwickelt und typischerweise mit Veränderungen besser umzugehen, die eine Organisation in ihrem Umfeld wahrnimmt. Und da sind wir dann ganz schnell bei unserer gemeinsamen Leidenschaft, den Freiräumen, weil auch dort geht es letztendlich um dieses Thema.

00:02:34
Lisa-Marie Linhart: Genau. Manuela, ich hab deinen Familiennamen unterschlagen, also eure beiden. Manuela Grundner, damit wir da wirklich der Vollständigkeit halber alles beieinander haben. Mit der Du-Kultur vergiss ich das manchmal, dass es ja auch Familiennamen gibt. Gregor, du hast jetzt schon gesagt, eure gemeinsame Leidenschaft sind die Freiräume, die (Un)conference, die ihr gemeinsam schon seit einigen Jahren in Graz organisiert. Zuerst einmal zum Titel (Un)conference. Warum? Warum nicht einfach eine normale Konferenz? Warum steht da ein „(Un)“ davor?

00:03:10
Gregor Karlinger: Ja, das ist eine gute Frage. Ich bin gerade ein bisschen zögerlich, weil da kann ich jetzt ganz weit ausholen. Ich versuche ein Weitausholen in kurzer Zeit. Wenn man sich anschaut, was sozusagen die Gründungslegende der Freiräume ist, dann ist es ein Buch, das wir beide gelesen haben, nämlich Reinventing Organizations von Frederic Laloux, in dem er drei Durchbrüche beschreibt, eines Paradigmenwechsels, der gerade in Organisationen stattfindet. Und einer dieser drei Durchbrüche ist Selfmanagement, ins Deutsche etwas holprig übersetzt mit dem Begriff der Selbstorganisation. Und wir wollten eine Zusammenkunft begründen zu dem, was in diesem Buch beschrieben wird, zu dem, wie Organisationen ticken, so wie es in diesem Buch porträtiert werden, weil uns das einfach sehr fasziniert hat, und wir uns dann gedacht haben: „Naja, okay, wie macht man eine Konferenz, wo es inhaltlich unter anderem um Selfmanagement, also um Selbstorganisation geht?“ Und wir beide haben einige Konferenzen in unserer Historie erlebt, die nichts zur Mitgestaltung der Teilnehmerinnen einladen. Und das war so eine eine Forschungsfrage: „Wie können wir die Freiräume ein bisschen anders machen, wo Teilnehmerinnen einfach ein Stück weit auch selbst in die Verantwortung gehen, selbst für die Inhalte sorgen, selbst für das sorgen, was miteinander besprochen werden soll.“ Und jetzt hätten wir gleich sagen können: „Okay, die Freiräume ist eine Unconference ohne diese Klammern, wie wir sie im Titel führen. Wir haben dann aber auf der anderen Seite die Beobachtung gemacht: Es macht manchmal schon Sinn, ein bisschen Food for Thought zu bieten. Und deshalb haben wir einfach sehr gezielt ausgewählte Elemente, die diese Nahrung für nachfolgenden Dialog dann bieten sollen. Und darum ist es ein bisschen etwas von beiden Welten. Also dieses „Un-“ in Klammer spielt mit dieser Idee, eine Uncoference zu machen, die aber schon auch ein bisschen Anregendes in Form von Input dabei hat.

00:05:18
Lisa-Marie Linhart: Ja, und diese Freiräume, die organisiert ihr beiden ja jetzt schon seit wie vielen Jahren?

00:05:26
Manuela Grundner: Acht Jahren heuer.

00:05:27
Lisa-Marie Linhart: Seit acht Jahren heuer. Super. Und ich erklär es vielleicht nocheinmal ganz kurz für die, die es noch nicht kennen: Es findet jedes Jahr im Juni in Graz statt und es ist so eine Mischung -Gregors hat es gerade skizziert – aus Vorträgen. Es gibt ja immer zwei Keynotes, und dann ganz viel Raum für Reflexion, für Besprechung, für einfach sich austauschen und Neues lernen, was wir ja alle hier recht super finden. Und eure größte Lektion im bisherigen gemeinsamen Berufsleben hängt ja auch ganz stark mit den Freiräumen zusammen, habt ihr mir im Vorfeld erzählt. Was war das für euch?

00:06:12
Manuela Grundner: Wenn wir gemeinsam eine große Veranstaltung macht, dann gibt es so viele unterschiedliche Baustellen, auf denen man arbeitet. Und das größte Learning war tatsächlich rauszufinden; wo sind die Potenziale und die Leidenschaften des Einzelnen? Und dann den Gregor genau in seinen Potenzialen und Leidenschaften einfach tun und walten zu lassen und nicht das Gefühl zu haben, was dazu tun zu müssen. Und wo überschneiden sich Leidenschaften und wo ist es besonders wichtig, dass wir gemeinsam Entscheidungen treffen, gemeinsam draufschauen und da ein gleiches Bild haben und immer gleich viel dazu beitragen. Und das war für mich total spannend, das rauszufinden. Also in unserem konkreten Fall: Gregor kümmert sich ganz viel um Social Media Marketing rund um die technischen Sachen herum. Und wir kümmern uns ganz viel gemeinsam um den Inhalt und um die Formate. Und da tatsächlich zu schauen, wenn es um Inhalt und Formate geht, dann setzen wir uns zusammen uns reden drüber, entscheiden es gemeinsam. Bei den ersten zwei Konferenzen haben wir manchmal auch viel länger gebraucht und am Detail getüftelt. Mittlerweile geht das viel zackiger und schneller. Und da braucht es aber dieses gemeinsame Daraufschauen. Und bei anderen Sachen, wie dem eben genannten Social Media Marketing, da kann ich mir einfach zu 100 % darauf verlassen, dass es funktioniert und ich darf mich auch darauf verlassen und ich muss auch nichts dazu beitragen. Und diese Unterschiede herauszufiltern; Wo ist es wichtig, dass ich mitreden möchte und es auch dürfen möchte, und wo ist es nicht wichtig. Und den Unterschied heraus zu finden, der war für mich ein großes Learning.

00:08:04
Lisa-Marie Linhart: Da geht es ja auch ganz stark um sich gegenseitig kennenlernen, einerseits. Eben wie du gesagt hast die Potentiale verstehen und dann richtig einsetzen lernen. Aber vor allem geht es ja auch ganz stark um Loslassen und um Vertrauen. Und ich glaube das ist ja, wenn man so gemeinsame Idee hat, ganz schwierig, weil es ja so ein bisschen das eigene Baby ist, oder? Und dann zu sagen: „Okay, aber diesen einen Part, den gebe ich komplett ab.“ – Das stelle ich mir schwierig vor. Wie war das für euch?

00:08:31
Gregor Karlinger: Da würde ich gerne einmal versuchen, eine Antwort zu finden, weil ich mir denk, das ist wahrscheinlich fast noch mehr mein Thema als das Thema von der Manuela. Weil ich würde mir schon zugestehen, dass mein innerer Perfektionist doch eine recht ausgeprägte Figur ist in meinem Leben. Und es ist halt einfach schwierig, sozusagen, man hat zu vielen Dingen, wie man sich vorstellt, wie die (Un)Conference gelingen soll, wie sie aussieht, Bilder im Kopf, und wie würde ich das machen, wenn ich das jetzt mache. Und es gibt eben Themen, wo wir über die Zeit herausgefunden haben: das ist eher die Leidenschaft von der Manuela und das ist eher meine Leidenschaft. Und trotzdem gibt es bei mir das Bild, wie ich es machen würde. Und sich von dem ein Stück weit zu verabschieden und zu sagen: „Die Manuela wird das machen. Sie wird das gut machen. Es wird ganz anders aussehen, als ich es mir vorgestellt habe. Und trotzdem wird es gut sein.“ Also ich bin jetzt so pointiert und das sagt sich jetzt nach diesen vielen Jahren gemeinsamer Erfahrung so leicht. Aber das war für mich nicht immer ein ganz einfaches Lernfeld. Ja, das würde ich schon als einer der größten Learnings aus der gemeinsamen Gestaltung bisher der Freiräume mitnehmen, dass das gelingen kann. Also dieses einander Vertrauen schenken, das Stück für Stück wächst, indem man es immer mehr tut und die Erfahrung macht: Ja, es gelingt, auch wenn es der andere mit anderen Schwerpunkten, in manchen Facetten anders ausgestaltet. Aber zu sehen: Das Endprodukt ist trotzdem ein ganz tolles.

00:10:02
Lisa-Marie Linhart: Ja, ich glaube, da kannst du jetzt vielen Menschen sehr viel Stress ersparen und graue Haare, wenn du verrätst, wie du das angestellt hast.

00:10:12
Gregor Karlinger: Ich glaube nicht, dass es so das Patentrezept gibt. Es ist ein Stück weit, es immer wieder zulassen, es ausprobieren, sich darauf einzulassen und glaube ich schon auch was uns nützlich war und ist, ist: regelmäßig dazu auch zu reflektieren. Also einfach auch zu sagen: „Wie geht es einen damit?“, auch beim anderen immer wieder mal nachzufragen: „Wie geht es dir damit, wenn ich da jetzt schneller hingegriffen habe wie du?“ Das ist etwas, das – kann ich mich erinnern – das hatten wir gerade zu anfangs relativ oft, weil ich glaube, beide sind wir eher so der Typ Macher, der schnell einfach mal hin greift und tut, damit es vom Tisch ist. Und manchmal sind wir draufgekommen: „Hoppla, das ist jetzt ein bisschen irritierend für den anderen gerade gewesen.“ Und sich dann immer wieder einfach auch diese Zeit zu nehmen, innezuhalten und zu sagen: „Wie waren denn die letzten Wochen für uns?“ bzw. auch sehr spontan einfach zu sagen: „Hey, ich glaube ich habe kurz einmal Bedarf über dieses oder jenes mit dir zu sprechen, weil das hat mich irritiert.“ Und es hat einfach dieses Kennenlernen, dieses einander kennenlernen. Was sind die die Dinge, wo man aufpassen muss aufeinander? -Die herauszufinden. Das glaube ich war sehr wichtig. Und wenn man dann einfach merkt wie der andere tickt, wie der andere tut, gelingt es – also das ist so mein Learning – einfach ein Stück weit besser, sich dann auch eben von diesem: „Aber eigentlich muss man es so machen, wie ich es gerne hätte.“ zu verabschieden.

00:11:48
Lisa-Marie Linhart: Also immer wieder reflektieren und aber auch aussprechen, dass man gerade da und dort vielleicht nicht ganz so einverstanden war. Oder wenn man das Gefühl hat, der andere ist jetzt gerade ein bisschen irritiert über die Vorgehensweise. Das hat dir geholfen?

00:12:00
Gregor Karlinger: Genau.

00:12:02
Manuela Grundner: Ich habe genau zu der Situation einmal eine total spannende Situation gehabt. Ich mache irgendwas und der Gregor schreibt mir eine Signal-Nachricht, dass er das jetzt nicht gut gefunden hat, dass ich das gemacht habe. Und ich habe mir gedacht: „Boah, spannend. Wenn man jetzt gerade was blöd findet, dann darf man das auch schriftlich kommunizieren. Dann ist es einmal platziert und dann später schaut man, was daraus passiert.“ Und da bin ich für mich drauf gekommen: Ich bin zwar recht gut, Dinge anzusprechen, aber ich bin nicht gut darin, den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden. Und diese einfache Variante von es einfach einmal kurz anzumerken und das schriftlich in einem schnellen Medium, dass das eine total gute Möglichkeit ist. Und da habe ich immer wieder dazu gelernt: Es ist so unglaublich wichtig, diesen ersten Punkt zu setzen. Und tatsächlich, dieser erste Punkt, wenn der passiert, natürlich macht das was mit mir. Ich sage jetzt nicht: „Boah, super cool! Danke für dieses Feedback.“ Natürlich denke ich mir im ersten Moment: „Uh, sch****. und trotzdem macht es dann den zweiten und den dritten Schritt möglich. Und das finde ich so wichtig, dieses Mutigsein und dieses Gespräch zu beginnen. Weil ich glaub in den meisten Gesprächen kann man sich darauf verlassen, dass die Gespräche gute Verläufe nehmen werden, wenn Menschen sich gegenseitig wertschätzen. Und darum ist es so wichtig, egal wo, diesen Anfang zu setzen. Das habe ich durch den Gregor sehr schön lernen können. Das hat mich sehr gefreut.

00:13:32
Lisa-Marie Linhart: Das ist schön. Das ist etwas, was ich mir auch oft denke. Dieser erste Impuls: Ich bin jetzt mit irgendet“was nicht einverstanden.“, der wird viel zu häufig einfach verschwiegen. Und ich finde das schön, wenn man den einfach einmal platzieren kann, auch ohne dass man den jetzt sofort ausdiskutieren muss, sondern einfach einmal nur zu sagen: „Hey, das hat mir jetzt nicht gepasst und dann sprechen wir vielleicht später mal drüber, wenn sich die Wogen ein bisschen geglättet haben oder wenn man auch den Kopf dafür hat.“ Find ich super. Vielleicht können wir das alle ein bisschen mehr in unseren Alltag integrieren. Gar nicht so sehr nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Apropos Privatleben: Habt ihr euch eigentlich vorab schon gekannt, bevor er mit den Freiräumen begonnen habt?

00:14:12
Manuela Grundner: Ja, wir hatten die schöne Möglichkeit, uns reflektierend kennenzulernen. Weil wir haben gemeinsam eine Coachingausbildung gemacht und wir waren Lernpartnerinnen bei unserer Ausbildung. Und darum hat unser gemeinsamer Weg mit Reflektieren angefangen. Vielleicht hat es das erleichtert, dass es dann bei unseren weiteren Tätigkeiten relativ leicht von der Hand gegangen ist.

00:14:40
Lisa-Marie Linhart: Aber das heißt, so richtig eben zusammengearbeitet habt ihr vorab noch nicht und auch privat seid ihr jetzt nicht miteinander in die Schule gegangen oder kennt euch schon seit 100 Jahren. Das war nicht der Fall.

00:14:50
Gregor Karlinger: Nein, war nicht der Fall. Also eben, es war, Manuela, wenn ich richtig im Kopf habe, so 2012, dass sich unsere Wege erstmals gekreuzt haben. Und es hat dann aber eben auch schon eine sehr schöne zweite Geschichte gegeben, nämlich, dass wir eine Zeit lang uns den Büroplatz geteilt haben. Wir waren beide in derselben Bürogemeinschaft und haben unsere Büros so fast Tür an Tür gehabt, also im selben Stockwerk so schräg gegenüber. Und da war einfach immer wieder die Gelegenheit, einfach miteinander auf einen Kaffeetratsch zu gehen. Und ich erwähne das deshalb, weil – ich habe vorhin schon erwähnt – sozusagen der Gründungsmythos der Freiräume; das war eben genau so ein Kaffeegespräch. Als Manuela und ich einfach einmal über dieses Buch begonnen haben zu sprechen und wir dann gesagt haben: „Ja, aber das ist leider kein Buch, das man einfach wieder ins Regal zurückstellen kann. Ich würde da gerne was tun, wie denkst denn du darüber?“ Und so ist das dann entstanden, diese Idee: „Ja, es muss doch auch bei uns im Nahfeld Organisationen geben, die sich mit Selbstorganisation, mit Wholeness, also der Mensch in seiner ganzen Form, mit Purpose, also diesen Zweck: Warum gibt es Organisationen? Was könnte ein höherer Beitrag sein, in dem man Arbeit einzahlt.“ Sich mit diesen drei Durchbrüchen zu beschäftigen, weil was sozusagen in diesem Buch passiert ist?: Zwölf Organisationen, wunderschöne Porträts, wie Organisation ganz anders funktionieren kann und wir dann gesagt haben: „Lass uns doch suchen, auf Organisationen stoßen, die es in Österreich im deutschsprachigen Raum gibt, die man vielleicht sogar an einen Ort zusammenbringt und mit Menschen in den Austausch bringt, die das so faszinierend finden wie wir.“ Genau. Und das war sozusagen eben ein schönes Beispiel, wie wichtig Gelegenheiten für informelle Kommunikation sein können.

00:16:43
Lisa-Marie Linhart: Definitiv. Ich finde auch, die besten Ideen kommen ja oft genau bei solchen Kaffeetreffen, wenn man einfach einmal kurz ungezwungen beisammen steht und eigentlich hier offiziell gar nicht arbeitet. Aber das Gehirn arbeitet da häufig am allerbesten.

00:16:58
Gregor Karlinger: Ganz genau.

00:17:00
Lisa-Marie Linhart: Genau, das sehe ich auch so. Ja, wollt ihr uns vielleicht noch ein bisschen etwas mehr über die Freiräume erzählen? Was passiert denn da heuer so? Auf was darf man sich denn freuen?

00:17:09
Manuela Grundner: Gregor, ich würde vorschlagen, du erzählst etwas über unseren klassen heurigen Schwerpunkt: Der Wert von Arbeit.

00:17:18
Lisa-Marie Linhart: Und bevor wir damit starten, nur ganz kurz. Das wollte ich nämlich vorhin noch sagen. Für alle, die das Buch Reinventing Organizations von Frederic Laloux noch nicht kennen. Riesen Leseempfehlung, aber mit Vorsicht, weil es kann sein, dass man dann auch total motiviert ist, irgendwas in seinem Arbeitsumfeld zu verändern.

00:17:37
Manuela Grundner: Und für alle, die gerne die Nachmittagsversion hätten: Es gibt das Reinventing Organization Visual, das hat man in einem Nachmittag ausgelesen und das fixt einem bestimmt an, dann den dicken Wälzer auch noch zu lesen.

00:17:54
Lisa-Marie Linhart: Genau. So, und jetzt zu den heurigen Freiräumen.

00:17:57
Gregor Karlinger: Ja, Manuela, ich nehme den Ball gerne auf. Lisa-Marie, du hast vorhin auch gesagt, sozusagen Lernen, das Thema Lernen, sind unsere bedeutendsten Lernerfahrungen. Wenn wir es jetzt nicht so global galaktisch auf das halbe Leben betrachtet, sondern auf das letzte halbe Jahr rund um die Freiräume, dann ist es die Lernerfahrung, dass wir, glaube ich, mit dem Schwerpunkt, mit dem heurigen der Wert von Arbeit. Ziemlich einen Nerv getroffen haben. Also wir haben, ich kann mich erinnern, so an unsere erste gemeinsame Autofahrt, wo wir das Thema mal angeteasert haben und überlegt haben: „Wie geht es uns mit dem Thema? Könnte das etwas sein?“, einmal eigene Überlegungen, eigene Assoziationen ausgetauscht haben. Da waren wir noch unsicher, „Kann das ein Schwerpunktthema für die Freiräume sein?“ Jetzt, ein halbes Jahr später, sind wir überzeugt: Das ist genau das richtige Thema zu dieser Zeit. Wir haben so viel starke Resonanz zu diesem Thema bekommen. Und eine meiner Vermutungen ist einfach: Ja, er ist so vielgestaltig. Also, Leute können sehr unterschiedliche Dinge unter diesem Schwerpunkt-Bogen versammeln und er trifft einfach, glaube ich, wirklich einen Nerv der Zeit gerade. Ich glaube die Pandemie-Jahre, die jetzt hoffentlich hinter uns liegen, haben uns glaube ich einiges gezeigt. Oder wie ein Brennglas auf ein paar wunde Punkte aufgeleuchtet rund um das Thema Wert von Arbeit. Also wenn ich einfach ein paar Beispiele anführen kann, die uns selber immer wieder unterkommen, wenn wir an dieses Thema denken. Das Thema: Was ist denn eigentlich der (Gegen-)Wert von Arbeit, den wir uns als Mitarbeiterinnen in einer Organisation erwarten? Ist es wirklich nur das Geld oder gibt es da nicht Dinge, die wesentlich motivierender wirken, wenn sie da sind? Oder anders gesprochen: Ist Geld dann immer der Ausgleichsmechanismus, wenn diese anderen Dinge fehlen oder nur mangelhaft vorhanden sind, wie dieser erwähnte Beitrag zu etwas größerem Ganzen oder diese Möglichkeit, in etwas immer besser zu werden? Andere Perspektive. Gerade jetzt mit der Pandemie so stark präsent. Die gesellschaftliche Perspektive: Wie bewerten wir in der Gesellschaft eigentlich Arbeit? Warum gibt es Jobs, die hoch bewertet sind, höchst bewertet sind, und gleichzeitig, wie wir darauf gekommen sind, ganz, ganz wichtige. Arbeiten, die von Menschen verrichtet werden, die kaum um dieses Geld ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Stichwort Fürsorgearbeit, Pflegearbeit, Stichwort Grundversorgung in einem Supermarkt etc.. Also jeder von uns hat sofort Beispiele parat, wenn ich das so beschreibe, und, nachdem die Freiräume ja sozusagen einen Fokus auch legen, Perspektive der Organisationen einzunehmen, – wenn ich jetzt sage, ich denke aus der Perspektive der Organisation – wie kann ich denn Organisationen gestalten, dass die Mitarbeiterinnen, die Mitarbeiter ihre Arbeit als wertvoll empfinden? Also wenn wir draufkommen; ja, da gibt es viele Dinge, die dazu beitragen, dass Arbeit als wertvoll empfunden werden, abseits von einem fairen Gehalt. Was sind denn diese Dinge und wie kann ich das bewusst steuern? Und wenn wir uns heute anschauen, Dinge wie Unternehmen, die händeringend nach Mitarbeiterinnen suchen, dann wäre jetzt einmal eine freche Vermutung von mir: Da liegt es vielleicht mit dem einen oder anderen wertvollen Aspekt von Arbeit im Argen. Und ja, ich glaube darum genau das richtige Thema zu dieser Zeit.

00:21:56
Lisa-Marie Linhart: Ja, definitiv. Also ich glaube auch, da habt ihr einen großen, großen Punkt getroffen. So dieses Thema Work-Life-Balance und Vier-Tage-Woche ist ja momentan gerade total en vogue und medial sehr präsent. Aber ich glaube auch das – wie soll man sagen – trifft nur einen kleinen Teil eures Themas, nämlich Wert der Arbeit, was ist überhaupt Arbeit und wie kann man denn das noch vergüten, außer mit vielleicht ein bisschen mehr Freizeit und mit ein bisschen mehr Gehalt? Ja, was zentrales dazu. Finde ich super spannend. Ich bin schon gespannt, wie dann die Resonanzen ausfallen und was da alles an neuen Ideen daraus hervorgeht.

00:22:37
Manuela Grundner: Was ich auch noch sagen wollte: Bei den Freiräumen geht es ein Stück weit wirklich um das: Wie macht man es denn dann? Und auch wenn man sich den Wert von Arbeit anschaut, wie setzen das Unternehmen um? Und da ist das auch dann tatsächlich dieses Lernen voneinander und miteinander und durch den gegenseitigen Austausch. Und was da dann auch passiert ist, dass einige Pionierunternehmen dabei sind, sogenannte Unternehmen, die schon ein kleines Stück des Weges in New Work, in anderes Arbeiten gegangen sind und dass die dann auch erzählen: Wie machen es wir, wie passiert es bei uns, damit ich da einfach sehr praktisch unterwegs bin und da einmal überlegen kann, unterschiedliche Geschichten mir anzuhören von verschiedensten Unternehmen, wie: Was passiert in einem Sozialunternehmen? Was passiert in einem IT Unternehmen? Wie gehen die mit dem Wert von Arbeit um? Was passiert in einer Volksschule, was machen die? Und dass ich dann auch diese ganzen unterschiedlichen Bilder habe, damit ich jetzt nicht nur lerne aus der Theorie, sondern Lernen verknüpft wird mit dem aktiven Tun von einem Unternehmen. Das tut zu dem Schwerpunktthema der Wert von Arbeit. Sie überlegt Was hat das mit uns zu tun? Wie passiert jetzt bei uns? Und so einfach unterschiedliche Ebenen miteinander zu verknüpfen und immer darauf zu schauen, möglichst anknüpfungsfähig mit dem zu sein, was in den Organisationen passiert?

00:24:04
Lisa-Marie Linhart: Auf welche Pioniere freust du dich denn besonders?

00:24:08
Manuela Grundner: Ich freue mich auf viele Pioniere. Ich darf drei sagen. Ich freue mich ganz viel auf das Autohaus Brügge, weil das ein Familienunternehmen ist und der Papa anders gearbeitet hat als der Sohn jetzt arbeitet und ich das total spannend finde, dass die das zusammen gebracht haben, sich von Wegen zu lösen. Ich finde total klasse, dass heuer der Landmaschinenhersteller Horsch dabei ist, weil die wirklich coole neue Wege in der Lehrlingsentwicklung, oder ein deutsches Unternehmen in der Azubi Entwicklung, machen und dort sehen, wie wie das passiert und wie das möglich ist. Und ich freue mich auch ganz besonders auf die SozKom, die ist eine Sozialorganisation und die haben ganz viel Selbstorganisation möglich gemacht und die sind gerade dabei, dass Entscheidungen nicht immer nur von den Geschäftsführerin getroffen werden, sondern auch tatsächlich die strategischen Entscheidungen in einem gemeinsamen Leitungskreis entschieden werden. Und ja, die drei, auf die freue ich mich ganz besonders. Und auf alle anderen freue ich mich natürlich auch!

00:25:18
Lisa-Marie Linhart: Super. Gregor, wie schaut’s bei dir? Jetzt muss ich dich auch noch fragen. Auf wen freust du dich besonders?

00:25:23
Gregor Karlinger: Ich versuche es auch mal mit drei. Ich schaue einmal. Worauf ich mich wirklich sehr freue, weil ich mich schon das eine oder andere Jahr bemüht habe, das Unternehmen an Bord der Freiräume zu kriegen, das ist KEBA in Linz, ein Unternehmen in der Industrieautomation, relativ groß, einige 100 Mitarbeiterinnen.

00:25:45
Lisa-Marie Linhart: Einige 1000 sogar. Also weltweit einige 1000.

00:25:48
Gregor Karlinger: Und was mich so fasziniert, ist, dass die nicht sagen „Ja, wir haben gestern begonnen und wir können euch von den ersten Schritten erzählen.“, sondern die sich wirklich schon jahrelang mit – soweit ich es in meiner Wahrnehmung habe – mit zwei Aspekten insbesondere auseinandersetzen, nämlich dem Thema: Wie kann ich Elemente von Selbstorganisation auch in einem Industrieunternehmen etablieren? Und insbesondere wie kann ich auf diesen Aspekt der Ganzheit schauen? Also wie gelingt es mir, dass ich den Mitarbeiter, die Mitarbeiterin mit all ihren Talenten, Fähigkeiten dort einsetze, wo sie die Fähigkeiten am besten ausspielen kann? Und ich glaube, das wird ein ganz reicher Erfahrungsschatz sein, von dem wir bei den Freiräumen profitieren dürfen. Das zweite Beispiel, das mir so ganz schnell einfällt, ist ebenfalls ein Neuzugang, sozusagen, in unserer Gruppe der Pionierorganisationen, nämlich DREHM Pharma aus Wien nämlich. Also da fasziniert mich insbesondere die Branche, weil wenn man sozusagen an Pharmaunternehmen denkt; sehr stark reglementiert, sehr stark – also ich denke da eher an einen großen Tanker mit sehr viel Regularien, sehr vielen Prozessen. Und dort ein Unternehmen zu haben, das als Dienstleister in dieser Branche arbeitet und ganz anders aufgestellt ist, sehr stark auf Eigeninitiative, auf die Menschen vor Ort setzt, das finde ich aus den Vorgesprächen, die wir geführt haben, einfach ganz, ganz faszinierend. Und was ich da einfach auch mitgenommen habe: Wie stark das bereits in der DNA des Unternehmens angelegt war. Also wir haben beschrieben bekommen, wie das damals war, die Gründungsgeschichte und wer dieses Unternehmen gegründet hat. Und diese Person hat von Anfang an gesagt: „Es ist mir wichtig, dass ihr euch ausprobieren könnt, dass ihr eure Ideen verwirklichen könnt.“ Und da bin ich schon sehr, sehr gespannt. Dann auf den Freiräumen selbst als der Pionier Station noch ein bisschen mehr zu erfahren.

00:27:55
Lisa-Marie Linhart: Ihr fein. Meine Lieben, ich würde sagen, wir sind jetzt schon ziemlich am Ende angekommen von unserer Folge und sag ich schon einmal vielen Dank für eure Lernerfahrungen, für eure Lektion das gegenseitige Vertrauen lernen, das gegenseitig kennenlernen und die Potenziale entsprechend nutzen. Find ich super und danke auch schon mal für den kleinen Vorgeschmack auf die Freiräume. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen dann auch hinzukommen. In den Shownotes werden wir natürlich alle wichtigen Links dafür anführen. Ja, und zum Schluss unseres Podcasts gibt es immer noch einen kleinen Wordrap. Und ich hätte gesagt, wir machen den jetzt einfach und ihr verständigt euch, wer darauf antwortet, wem was dazu einfällt. Ja, das System kennt ihr. Ich lege mit einer Satzvorlage, mit einem Anfangen vor und ihr beendet dann den Satz so spontan wie möglich. Starten wir los: Ein weiser Mensch ist für mich…

00:29:06
Gregor Karlinger: Jemand, der nie aufhört dazuzulernen.

00:29:11
Manuela Grundner: Jemand, der sich traut zuzugeben, dass er falsch gelegen ist und jetzt dazugelernt hat und es jetzt anders sieht.

00:29:22
Lisa-Marie Linhart: Schön, sehr schön. Der Mensch, der mich am meisten geprägt hat, ist…

00:29:31
Gregor Karlinger: Auch wenn es ein bisschen klischeehaft klingt: Mein Deutschlehrer in der HTL. Ich bin sozialisierter Techniker durch und durch und das war einer der wenigen Personen, die meinen Fokus auf andere Bereiche des Lebens gerichtet hat. Also meine Auseinandersetzung mit Medien, meine Liebe für Bücher und Zeitschriften, das alles ist, glaube ich, in diesen Deutschstunden angelegt worden, und ich glaube, das hat mich bis heute sehr geprägt.

00:29:58
Lisa-Marie Linhart: Super, dann kommen wir gleich zum nächsten. In der Schule war ich…

00:30:02
Manuela Grundner: Nicht immer am richtigen Platz. Ich hätte mich wahnsinnig darüber gefreut, wenn ich Schulen gehabt hätte, in denen man selbstorganisiert lernen darf und mehr vom klassischen Frontalunterricht weggegangen wäre. Das hat mir nicht so gut getan.

00:30:22
Lisa-Marie Linhart: Hm. Die Nutzlose der Information oder das nutzlose Wissen in meinem Kopf ist…

00:30:31
Manuela Grundner: Millionen von Schlagertexten kann ich auswendig.

00:30:37
Lisa-Marie Linhart: Sehr schön. Das kann man dann bei den Freiräumen vielleicht am späteren Abend einmal austesten.

00:30:44
Manuela Grundner: Man kann mich testen, sehr gerne.

00:30:47
Lisa-Marie Linhart: Zum Abschluss – Die Frage gefällt mir einfach immer besonders gut: Meinem 14-jährigenIch würde ich heute sagen…

00:30:57
Manuela Grundner: Das Leben dauert noch unglaublich lang. Du kannst so viele unterschiedliche Dinge ausprobieren. Das ist total okay.

00:31:05
Gregor Karlinger: Kümmere dich nicht wahnsinnig darum, was dir deine Freunde und deine Eltern sagen, wie du deine weitere Schulkarriere gestalten sollst. Hör auf deinen Bauch, hör auf dein Herz, mach das, was die Freude macht. Mach das, was du spürst: Da würde ich gerne mehr erfahren. Es ist völlig irrelevant, was du machst. Hauptsache, du machst das, was dich leidenschaftlich macht, wo du neugierig bleibst, wo du weiter lernst.

00:31:32
Lisa-Marie Linhart: Wunderschön. Vielen Dank euch zwei.

00:31:35
Gregor Karlinger: Danke dir sehr.

00:31:40
Outro: Weiterlernen mit NEVEREST. Schau gerne auch auf unsere Homepage www NEVEREST.at.